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Ostsee-Sparkasse
„Wir haben noch nie so viele Beratungsgespräche geführt“
Die Ostsee-Sparkasse Rostock gilt als eine der erfolgreichsten Sparkassen Deutschlands. Ihr neuer Vorstandsvorsitzender Bernd Brummermann über Wachstumschancen, auskömmliche Erträge, mobiles Arbeiten und Lessons learned aus der Coronapandemie.

Herr Brummermann, in wenigen Tagen geht Ihr erstes Jahr als Vorstandsvorsitzender der Ostsee-Sparkasse Rostock zu Ende. Was sind Ihre Pläne für die nächsten Jahre?

Bernd Brummermann: Wir wollen investieren, angreifen und nach vorne gehen. Aus meiner Sicht sind zu viele Sparkassen gerade dabei, eine Verteidigungsstrategie zu fahren. Dafür gibt es sicherlich viele Gründe wie Negativzinsen, Regulatorik oder Urteile zum Verbraucherschutz. Wir dagegen wollen in den nächsten fünf Jahren mit Schwerpunkt im nächsten Jahr 40 neue Stellen schaffen, und zwar überwiegend im Vertrieb in den wachstumsstarken Bereichen Baufinanzierung, Firmenkunden-, Vermögens- und Wertpapierberatung. Aktuell beschäftigen wir mehr als 600 Mitarbeitende.

Die Ospa agiert in einer touristisch attraktiven Region. Ist sie auch anziehend für die Talente, die Ihre Sparkasse sucht?

Brummermann: Wir können mit einer hohen Lebensqualität in einer lebenswerten Region punkten. Ich bin ja auch von Lemgo in Ostwestfalen hierher nach Rostock gezogen und bereue es auf keinen Fall. Die Ospa ist gleichzeitig ein attraktiver Arbeitgeber. Wir bieten neben großzügigen Regeln zum mobilen Arbeiten, Bike-Leasing, kostenloser Getränkeversorgung und vielem mehr sogar eine Mitarbeiterbeteiligung mit attraktiver Verzinsung an.

Wir müssen diese Benefits aber an einem hart umkämpften Arbeitsmarkt noch besser herausstellen. Dafür planen wir im neuen Jahr eine Kampagne. Denn der Fachkräftemangel ist definitiv auch bei den Sparkassen angekommen.

Was steht neben der Personaloffensive noch auf Ihrer Investitionsliste?

Brummermann: Wir wollen in die Digitalisierung investieren, etwa im Vertrieb, damit die digitale Beratung noch stärker in der Fläche angeboten werden kann und dann natürlich auch in die internen Prozesse. Wir haben da schon gute Erfolge erzielt. Unsere Revision arbeitet schon fast vollständig digital. Die Pfändungsbearbeitung im Rechtsbereich wird Anfang 2022 auf eine digitale Bearbeitung gehen. Künftig müssen wir weitere Bereiche angehen, damit wir nicht mehr so viele Akten durch das Haus tragen und zudem viel stärker mit elektronischen Unterschriften arbeiten.

Viele Konkurrenten setzen den Rotstift auch bei den Filialen an und haben die Pandemie genutzt, um das Netz schneller und stärker als geplant auszudünnen.

Brummermann: Das ist nicht Teil unserer Strategie. Im Gegenteil. Wir modernisieren bestehende Filialen, bauen neue Filialen und halten die Zahl der mehr als 40 Standorte stabil. Wir wollen unseren Kunden in der Nähe anbieten, was sie in der Nähe haben möchten. Investieren werden wir zudem in das Zukunftsthema Payment. In diesem Bereich müssen wir noch viel stärker an unsere Firmenkunden ran.

Ospa
Bernd Brummermann, Vorstandsvorsitzender der Ostsee-Sparkasse Rostock: „Wir wollen unseren Kunden in der Nähe anbieten, was sie in der Nähe haben möchten.“ Im Bild zu sehen ist die Filiale Reutershagen

Bei typischen Firmenkunden der Sparkassen, etwa bei kleineren Händlern oder beim Friseur, sieht man als Kunde beim Bezahlen ziemlich häufig kleine weiße Lesegeräte der Fintech-Konkurrenz…

Brummermann: Ja, das entgeht mir natürlich auch nicht. Wenn ich das kleine weiße Gerät vorgehalten bekomme, von dem man ja definitiv weiß, dass es nicht von der Sparkassenorganisation ist, dann tut mir das schon in der Seele weh. Da haben wir noch viel Potenzial. Last but not least müssen wir stärker an junge Kunden herangehen. Es gab in der Vergangenheit viele Vorstöße, aber das reicht nicht.

In Ihren Filialen werden Sie die jungen Kunden aber wohl auch künftig nicht begrüßen können…

Brummermann: Wir müssen sie da abholen, wo sie sich aufhalten, also in den sozialen Medien. Wir sind da schon ganz gut im Sinne der Kommunikation und Werbung unterwegs. Es muss uns aber auch gelingen, auf diesen Kanälen Abschlüsse zu tätigen. Da bin ich auch mit dem Sparkassen-Finanzportal in Gesprächen, ob wir zum Beispiel über Tiktok oder ähnliche Kanäle Umsätze mit der jungen Zielgruppe generieren können.

Mehr Personal, Erhalt der Filialstandorte, Umbauten zu modernen Filialen, Digitalisierung, Marketingoffensiven – all das kostet erst einmal Geld. Wie stellen Sie sicher, dass Ihnen nicht die Kosten davonlaufen?

Brummermann: Wir werden uns nicht kaputtsparen. Aber auch wir schauen natürlich sehr genau auf jeden einzelnen Posten auf der Ausgabenseite und den mittelfristigen Return. Im Zuge der verstärkten Digitalisierung müssen wir unsere Prozesse so verschlanken und optimal gestalten, dass wir die Investitionen bezahlbar machen. Digitalisierung kostet Geld und spart Geld. Es wird eine der größten Herausforderungen sein, den Spagat zwischen Investieren und Kostenmanagement zu bewältigen.

Noch glänzt die Ospa mit einer Cost-Income-Ratio von zuletzt 49 Prozent und gilt damit im Sparkassenlager als einer der Hidden Champions. Was sind die wichtigsten Erfolgskriterien, und werden Sie weiter mit Blick auf die ehrgeizigen Investitionspläne mit solch einem guten Ergebnis glänzen können?

Brummermann: Wir werden in diesem Jahr wahrscheinlich bei 52 Prozent landen und in den kommenden Jahren eine noch etwas höhere Cost-Income-Ratio sehen. Trotzdem landen wir mit diesem Ergebnis immer noch unter den Top-Sparkassen, da bin ich mir sicher. Wir sind eine echte Vertriebssparkasse mit einer sehr, sehr auskömmlichen Ertragsseite. Bei den Kosten liegen wir immer schon eher im Mittelfeld, aber bei dem Zähler-Nenner-Spiel sind die Erträge auf unserer Seite.

Ospa
Brummermann: „Wir sind eine echte Vertriebssparkasse mit einer sehr, sehr auskömmlichen Ertragsseite.“

 

Ihre Branche kämpft mit zahlreichen Herausforderungen, die Sie als Vorstandsvorsitzender einer Sparkasse gar nicht beeinflussen können, wie Dauerniedrigzinsen, Verbraucherschutzurteile, zunehmende Anforderungen an die Regulatorik. Wo bieten sich Ihrem Institut Chancen?

Brummermann: Unser Geschäftsgebiet, die Hansestadt und der Landkreis Rostock, bietet erhebliches Potenzial. Als neuer Vorstandsvorsitzender nimmt man ganz besonders wahr, wie viel sich hier entwickelt. Wir werden hier im Jahr 2025 die Bundesgartenschau haben, es gibt eine wachsende Start-up-Szene, ein breites Spektrum an Unternehmen, nicht nur die maritime Wirtschaft, sondern auch die Landwirtschaft und zum Beispiel die Medizintechnik. Diese positive Entwicklung wollen wir aktiv mitgestalten.

Bezogen auf unser Geschäft ist ein Zukunftsfeld die Baufinanzierung. Die Nachfrage der Kaufwilligen übersteigt bei Weitem das Angebot in unserer Region.

Während der Coronapandemie haben viele Deutsche ja ein gewisses Faible für Aktiendeals entdeckt.

Brummermann: Immer noch haben zu wenige Kunden überhaupt ein Depot, aber das Umdenken hat in den vergangenen zwei Jahren eingesetzt. Auch wir sehen hier noch erhebliches Potenzial, zumal wir unheimlich viel Liquidität auf unseren Konten liegen haben. Wir möchten die Kunden gern davon überzeugen, dieses Geld in ertragreiche Produkte im Wertpapier- oder Versicherungsbereich anzulegen.

Müssen Ihre Kunden Negativzinsen bezahlen?

Brummermann: Aktuell nehmen wir von den Privatkunden kein Verwahrentgelt und wollen es auch weiterhin vermeiden, solange es irgendwie geht.

Mit welchen Entwicklungen rechnen Sie im Firmenkundengeschäft?

Brummermann: Die Coronakrise hat ja bislang nicht die befürchteten Einschnitte im Kreditgeschäft gebracht. Ich klopfe jetzt mal ein bisschen auf Holz. Unser Bewertungsergebnis ist weiterhin im grünen Bereich. Ich gehe davon aus, dass es auch 2022 keine großen Einschnitte geben wird, sondern wir Chancen auf Wachstum haben.

Seit bald zwei Jahren hat die Coronapandemie die Wirtschaft fest im Griff. Welche Lessons learned ziehen Sie aus der Krise?

Brummermann: Wir sind in der Digitalisierung doch schon weiter und besser als wir das erwartet hatten. Vor drei Jahren hätte ich nicht geglaubt, dass wir so schnell vorankommen können, als Organisation insgesamt und als Ospa. Bei aller Digitalisierung hat sich aber auch gezeigt, dass trotz Corona dem Kunden die persönliche Nähe wichtig ist. Wir haben in diesem Jahr so viele persönliche Beratungsgespräche in den Filialen geführt wie nie zuvor. Dabei geht es um Baufinanzierung, also die Flucht in Betongeld, oder etwa Wertpapiere. 

Welche Coronaregeln werden im zweiten Coronawinter bei der Ospa gelten?

Brummermann: Zum mobilen Arbeiten haben wir mit dem Personalrat jüngst eine neue Dienstvereinbarung geschlossen, die auch nach dem Ende der Pandemie gelten wird. Rein theoretisch könnte bei uns ein Mitarbeiter ganzjährig im mobilen Arbeiten verbringen. Wir geben das völlig frei.

Fürchten Sie nicht, dass die Distanz zum Arbeitgeber zu groß wird, wenn man sich gar nicht mehr sieht?

Brummermann: Die Arbeitsplätze müssen sich natürlich für diese Regelung eignen, und auch eine Absprache mit den Führungskräften ist unerlässlich. Die Steuerungsaufgabe und der Steuerungsaufwand der Führungskräfte steigen natürlich. Aber wir halten die Regel für richtig. Eine gewisse Präsenz wird trotzdem erwartet. Die Sozialkontakte vor Ort sind schon wichtig. Wir legen die Dauer aber nicht fest.

Wie haben Sie persönlich Ihre Arbeitszeit zwischen Homeoffice und Büro aufgeteilt?

Brummermann: Ich war persönlich komplett vor Ort. Wenn man ganz neu kommt, muss man auch Präsenz zeigen. Wir haben viele Gespräche digital organisiert bis hin zu Führungskräfteveranstaltungen und der dreistündigen Betriebsversammlung mit allen gut 600 Mitarbeitern.

Wie stark beschäftigt Sie das Thema Impfen und Testen?

Brummermann: Wir hatten zwischenzeitlich einem Testzentrum Räume zur Verfügung gestellt, diese dann vorübergehend geschlossen, weil sie nicht mehr benötigt wurden. Und jetzt werden diese wieder eröffnet. Im Januar wird es einen Booster-Impftag für unsere Mitarbeiter geben. Und der Hansestadt haben wir zwei unserer Azubis als freiwillige Unterstützung angeboten, damit sie bei der Nachverfolgung der Kontakte helfen.

Die Ospa hat zudem eine Impfprämie ausgelobt. Wie kommt diese an?

Brummermann: Ja, wir haben eine Impfprämie in Höhe von je 100 Euro als Gutschein-Guthaben für unsere hauseigene Gutschein-Plattform ausgelobt für alle, die zweifach geimpft sind. Wir wollen damit einen zusätzlichen Anreiz schaffen, die Impfquote zu erhöhen und mehr Planungssicherheit und Normalität im Berufsalltag ermöglichen. Die Prämie ist sehr gut angenommen worden. 83 Prozent unserer Mitarbeitenden sind inzwischen vollständig geimpft (Stand: Mitte Dezember 2021).

Wenn Mitarbeiter auch nach Ende der Pandemie die großzügige Regelung der Ospa zum mobilen Arbeiten in Anspruch nehmen, dürften ja viele Räume in Ihren Büros leer bleiben. Wird sich die Ostsee-Sparkasse räumlich verkleinern?

Brummermann: Als Mieter in unserer Verwaltungszentrale haben wir langfristige Verträge. So einfach ist das nicht. Aber in den nächsten Jahren kämen, falls wir uns räumlich noch mal verändern würden, ganz neue Bürokonzepte beziehungsweise Arbeitswelten in Betracht.

Eli Hamacher (Bild oben: dpa)
– 15. März 2022