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Sparkassengeschichte
Das Unmögliche möglich gemacht
Die deutsche Einheit wird in diesem Jahr 30. Dass auch die Sparkassen aus der DDR und der
Bundesrepublik zusammenfanden, war alles andere als ein Selbstläufer.

Der Mauerfall am 9. November 1989 und die Deutsche Einheit am 3. Oktober 1990 sind die fixen Punkte, an die man sich über Generationen hinweg erinnert. Doch nicht weniger bedeutend war die Zeit zwischen diesen beiden Daten – hier wurden Entwicklungen angestoßen, die die Richtung für die folgenden Jahrzehnte vorgaben. Das gilt auch für die Einheit der Sparkassen in Ost und West.

Prägende Figur dabei war der dama­lige DSGV-Präsident Helmut Geiger, der am 11. Januar 2020 im Alter von 91 ­Jahren­ verstorben ist. Geiger machte 1990 die Vereinigung und die Neuausrichtung des Sparkassenwesens in Ostdeutschland zu seinem besonderen Anliegen.

Helmut Geiger (links) und Rainer Voigt bei der PC-Aktion. Die technische Ausstattung der DDR-Sparkassen, etwa Rechenmaschinen, stammte teilweise aus den 1920er-Jahren.

Sein Partner aufseiten der DDR-Sparkassen war Rainer Voigt, zunächst als Abteilungsleiter „Sparkassen“ in der DDR-Staatsbank, dann als Präsident der DDR-Sparkassen und schließlich als Geschäftsführender Präsident des Ostdeutschen Sparkassenverbands (bis 2006). Voigt fasst Geigers Wirken vor 30 Jahren in einem knappen Satz zusammen: „Er hat das Unmögliche möglich gemacht.“

Das Unmögliche? Voigt erinnert daran, in welchem Zustand die DDR-Sparkassen Ende der 1980er-Jahre waren: Sie unterlagen einer zentralen Planung durch den Staat, der die Produkte entwickelte, die Spareinlagen garantierte und fachlich weisungsbefugt war. „Vor diesem Hintergrund musste man davon ausgehen, dass die Sparkassenmitarbeiter gar nicht in der Lage waren, den Sprung in die Marktwirtschaft zu schaffen – es war einfach kein marktwirtschaftliches Know-how vorhanden“, sagt Voigt.

Hinzu kam, dass auch die materielle Ausstattung der Ost-Sparkassen maro-
de war. „Wir hatten zum Schluss nicht einmal mehr Sparbücher, die wir hätten ausreichen können“, erinnert sich Voigt.

Vor diesem Hintergrund habe es in der westdeutschen Sparkassenorganisation viel Skepsis gegenüber den ostdeutschen Schwesterinstituten gegeben – manch einer glaubte nicht daran, dass die Ost-Sparkassen unter marktwirtschaftlichen Bedingungen überlebensfähig wären. „Herr Dr. Geiger hat denjenigen entgegengehalten: ‚Es muss uns aber gelingen!‘“, sagt Voigt. Und Geiger habe auch alles dafür in Bewegung gesetzt.

Auf der materiellen Seite gab es West-Unterstützung durch die Aktion „1000 PC für die DDR-Sparkassen“. Das sei der Startschuss für weitere Unterstützung gewesen – und nicht nur materielle. So entstand die Aktion „Hilfe zur Selbsthilfe“, wiederum maßgeblich auf Geigers Initiative: Jede Ost-Sparkasse bekam mindestens ein Partnerinstitut aus dem Westen, das Mitarbeiter nach Osten „verlieh“ – die dann auch oft dort geblieben sind.

Geiger nahm in kürzester Zeit die Sorgen und Nöte der DDR-Sparkassen auf und erstellte im ständigen Austausch mit den ostdeutschen Gesprächspartnern ein umfassendes Betreuungskonzept. So etablierte sich unter anderem die Idee des „gemischten Doppels“: Ein Zweiervorstand bestand dann aus einem ost- und einem westdeutschen Sparkässler. „Der eine hatte die Marktkenntnis, der andere das Know-how zum Leiten eines Kreditinstituts“, sagt Voigt.

Geiger machte sich stark dafür, dass die Aufsicht den ostdeutschen Vorständen eine Übergangsfrist gewährte, innerhalb derer sie sich das nötige Fachwissen aneignen sollten. Überhaupt wirkte er stark im Hintergrund auf politischer Ebene – in zahlreichen Einzelgesprächen mit Ministerpräsidenten und Finanzministern, mit der DDR-Staatsbank, mit Medien und mit Bürgern.

Und das Ergebnis all dessen? Voigt: „Wenn Sie mich fragen: Die deutsche Einheit hätte überall so laufen sollen, dann hätten alle Menschen gemeinsam in der neuen Welt ankommen können.“ Anderswo seien die Mannschaften komplett ausgewechselt worden, sodass die Einheimischen das Gefühl einer Überfremdung und Übernahme aus dem Westen bekommen hätten. „Aber bei uns konnte jeder sehen, dass die Menschen in der Sparkasse Leute von hier waren – sowohl am Schalter wie auch in der Direktion.“

Peter Müller
– 5. Februar 2020