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VKB - Interview
Rangeln, bündeln, gemeinsam wachsen
Die öffentlichen Versicherer und ihr Verband haben gemeinsam neue Produkte entwickelt und zentral für die Sparkassen-App verfügbar gemacht, die der Kunde in bestimmten Situation kurzfristig abschließen kann. Versicherungskammer-Vorstandschef Frank Walthes erklärt, wieso diese Neuerung ein großer Fortschritt ist und wieso er sich noch mehr Fortschritte vorstellen könnte, käme es zu Versicherer-Fusionen.
"Ich wünsche mir, dass der Zusammenschluss der Provinzial-Gesellschaften gelingt." VK-Vorstandschef Frank Walthes

Herr Walthes, die öffentlichen Versicherer haben zuletzt bei der gemeinsamen Entwicklung von Produkten ihre Zusammenarbeit intensiviert. Wo sehen Sie Fortschritte?
Walthes: Es gibt ja bereits „Bündelprodukte“, und nun gehen die öffentlichen Versicherer noch weiter, indem wir vier Produkte zentral für die Sparkassen-App verfügbar machen, die der Kunde in bestimmten Situation kurzfristig abschließen kann. Hier bieten wir genau den Komfort beim Kauf, die der Kunde heute erwartet. (Siehe Info "Spontan Versichern" am Ende dieses Textes).

Wie funktioniert die Zusammenarbeit der Versicherer?
Walthes: Wir haben uns die Arbeit unter Wahrung des Wettbewerbsrechts und unter Beachtung der Regulatorik aufgeteilt und dafür gesorgt, dass die Produktentwicklung nur einmal in unserer Gruppe erfolgt. Für den Mietwagenschutz ist die Versicherungskammer zuständig, beim Sparkassen-Eventschutz ist die SV Stuttgart federführend. Der Geräteschutz läuft über Protec, den Sparkassen-Sofort-Unfallschutz hat die Provinzial Nordwest entwickelt. Jede Region hat Impulse und Anregungen von der jeweils anderen Region übernommen. Die Produkte werden einheitlich angeboten, was auch der Finanz Informatik sehr entgegen kommt.

Gab es Gerangel?
Walthes: Ja, na klar; weil jeder glaubt, es handele sich um das Geschäft des nächsten Jahrzehnts. Im Grunde war das ein großes Trainingslager für uns alle. Die Geburt war hart, aber wir freuen uns, dass wir Produktanbieter sind und Ressourcen nur einmal im Verbund eingesetzt werden, um moderne Angebote bereit zu stellen.

Wer hat die Produktentwicklung initiiert?
Walthes: Den Ausschlag für die Zusammenarbeit der Versicherer bei den situativen Produkten hat das Projekt „Vertriebsstrategie der Zukunft“ gegeben, das wir im DSGV mit den Sparkassen gemeinsam entwickelt haben. Dort wird ermittelt, welche Produkte und Vertriebswege aus Sicht des Kunden angemessen sind.

Was für gemeinschaftliche Initiativen der Öffentlichen sind noch zu erwarten?
Walthes: Die Digitalisierung bietet enorme Möglichkeiten. Die Öffentlichen versuchen derzeit, gemeinsam mit der Finanz Informatik einen Modus zu finden, um schneller voranzukommen in Projekten, deren Ergebnissen der ganzen Gruppe offenstehen sollen. Finanz Informatik, Versicherungskammer und Provinzial Nordwest bilden einen Nukleus der Veränderungen bei Zukunftsthemen.

Was leistet Ihr Unternehmen hierbei konkret?
Walthes: Wir sind bereit, jeweils den ersten Schritt zu machen und auch das Risiko des Scheiterns einzugehen. Wir haben zum Beispiel, stellvertretend für die Öffentlichen, ein Entwicklungslabor für Big Data & Analytics gegründet. Gewiss ist es für die Versicherungskammer auch leichter, innovative Entwicklungen voranzubringen, weil wir eine klarere Eigentümerstruktur haben als andere Versicherer.

Dabei stehen freilich die Versicherungskammer-Interessen im Vordergrund.
Walthes: Natürlich verfolgen wir die Interessen der Versicherungskammer und ihrer Eigentümerkreise. Aber wenn sich etwas Neues als erfolgreich erweist, bieten wir es auch den anderen Versicherern an. Damit können wir die Investitionskosten amortisieren und gemeinsam den Markt vergrößern.

Wie interessiert zeigen sich die Öffentlichen an derlei Angeboten der Versicherungskammer?
Walthes: Es ist wohl menschlich, dass man Angebote, die man nicht selbst entwickelt hat, erst einmal kritisch beäugt. Wir wollen uns als Teil der Sparkassenfamilie so positionieren, dass wir Tradition mit Innovation verbinden. Und tatsächlich setzen wir Zukunftsthemen so um, dass unsere Projekte vielfach Anerkennung Dritter finden.

Wo zeigt sich diese Anerkennung?
Walthes: Wir bekommen Nachfragen nach Kooperationen und Angebote zu Lizenzrechten. Im ADAC-Werkstattnetz arbeiten wir mit Allianz und der Sparkassenversicherung Sachsen zusammen. Und mit der Axa und der Debeka betreiben wir gemeinsam das Portal Meine Gesundheit. Warum bei interessanten Themen nicht immer alle elf öffentlich-rechtlichen Versicherer dabei sind, dürfen Sie mich nicht fragen.

Wären aus Ihrer Sicht Versichererfusionen ein Weg, um das gemeinschaftliche Vorgehen zu befördern?
Walthes: Das glaube ich schon; auch aufgrund unserer Erfahrungen mit der Feuersozietät oder den Saarland-Versicherungen, an denen der Konzern Versicherungskammer jetzt 100 Prozent der Eigentumsrechte hält. Nur bei einer vollständigen Integration lassen sich Synergien umfassend ausschöpfen und Marktpotenziale optimal nutzen. Organisatorisch, operativ und inhaltlich haben wir gezeigt, dass wir das gut können. Ich bin sicher: Was uns im Kleinen hervorragend gelungen ist, wird uns auch im Größeren gelingen.

Die Versicherungskammer sähe sich als übernehmende Gesellschaft im Falle einer möglichen Konsolidierung...?
Walthes: Wir wollen natürlich eine aktive, gestalterische Rolle einnehmen, was auch aufgrund unserer Marktposition naheliegt. Die Versicherungskammer ist im vergangenen Jahr auf Platz sieben aller deutschen Erstversicherer vorgerückt. Wobei Größe allein nicht zählt, sondern die Fragen nach Betriebs-, Geschäfts- und Vertriebsmodellen müssen allesamt konsistent beantwortet sein.

Was glauben Sie – gelingt der erneut angekündigte Zusammenschluss der Provinzial-Gesellschaften in Düsseldorf sowie Münster und Kiel?
Walthes: Ich wünsche mir, dass es gelingt. Zumal es um eine Marke in mehreren Bundesländern geht. Viele Aktivitäten werden von den Unternehmen ja ohnehin schon miteinander abgestimmt, etwa der Markenauftritt. Zudem sind die Themen eines Zusammenschlusses in früheren Anläufen bereits diskutiert worden. Generell gehe ich davon aus, dass die Gespräche zwischen den beiden öffentlich-rechtlichen Gruppen ein gutes Ende finden. Die Eigentümer sprechen miteinander und das Management beider Häuser weiß mit Fusionen gut umzugehen.

Ihr Szenario für die Öffentlichen?
Walthes: Angesichts des Föderalsystems der Bundesrepublik Deutschland und der komplexen Eigentümerstrukturen wird ein einzelner Versicherer wohl nicht so einfach entstehen. Ich glaube, dass sich drei unternehmerische Blöcke herausbilden werden: Eine Nordschiene, eine Südschiene und eine ostdeutsche Versicherungsgruppe.

Sieht sich die Versicherungskammer im privaten Sektor nach Übernahmekandidaten um?
Walthes: Opportunitäten würden wir immer prüfen. Wir sind ja bereits an Privatversicherern beteiligt. Aber auch hier gilt es, nichts zu erzwingen.

Die Kriegskasse wäre prall gefüllt?
Walthes: Wir wären vorbereitet und wenn eine entsprechende Investition sinnvoll erschiene, könnten wir sie wahrnehmen.

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Vier neue Versicherungsprodukte für die „situative Kundenansprache“ in der Sparkassen-App haben die öffentlichen Versicherer und ihr Verband entwickelt.
- Der Sparkassen-Event-Schutz bietet eine tageweise Veranstaltungsversicherung; der Kunde erhält bei krankheits- oder unfallbedingter Absage den Ticketpreis zurück. Auch bei Verlust von Taschen, Jacken, Handys oder Ausweisdokumenten gibt es Ersatz.
- Mit dem Sparkassen-Geräte-Schutz kann sich der Kunde gegen die Beschädigung von elektronischen Geräten wie etwas Smartphones oder Laptops absichern.
- Der Sparkassen-Mietwagen-Schutz deckt den Selbstbehalt bei Schäden an gemieteten Fahrzeugen ab.
-Als tageweise Unfallversicherung wird der Sparkassen-Sofort-Unfall-Schutz angeboten.
Die Produkte werden mobil mit nur wenigen Klicks abgeschlossen, die notwendigen Dokumente gehen dem Versicherungsnehmer per E-Mail oder als Download zu. Jede Sparkasse kann die Produkte individuell freischalten. Um die Produkte über die Sparkassen-App anbieten zu können, ist die Hinterlegung einer aktuellen Vermittler-Visitenkarte in der Internetfiliale erforderlich. Eine Beschreibung des Administrationsprozesses erhalten die Institute vom jeweiligen Versicherer und der Sparkassen-Finanzportal GmbH (SFP).
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– 10. September 2018